ehemalige Kirche in Todendorf

sssssss - unsichtbar

 

 

Der letzte Akt

 

Abschied

 

 

 „So entwidme ich jetzt diese Kapelle. Von nun an ist sie nicht mehr dem Dienst Gottes geweiht“. Bischöfin Kirsten Fehrs spricht die entscheidenden Worte aus. Es ist kurz vor 20.00 Uhr, der Gottesdienst fast beendet. Ja, man wusste, es ist beschlossen und es wird geschehen. Aber als es nun wirklich endgültig ist, herrscht Stille. Kein Flüstern oder Husten, kein Rascheln in den Reihen. Ein Gottesdienst anders als erwartet. Dieser Abschied ist traurig und geht sicher jedem der rund 70 Besucher sehr nahe.

Pastorin Schumacher

Es ist Donnerstag, der 18.01.2018, 19.00 Uhr.

Die Glocken läuten, Kantor Andis Paegle spielt die Orgel, Pastorin Susanne Schumacher, der Kirchengemeinderat Eichede, Propst Hans-Jürgen Buhl und Bischöfin Kirsten Fehrs schreiten in die Kapelle. Pastorin Schumacher begrüßt alle Anwesenden. Man sieht ihr Traurigkeit und Wehmut an. Ein letztes Mal nehmen die Todendorfer das rote Liederbuch in die Hand, singen und beten zusammen.

Berndt Rosenbohm

Herr Rosenbohm aus Todendorf und Mitglied im Kirchengemeinderat liest aus dem Matthäusevangelium. Die letzte Predigt hält Propst Hans-Jürgen Buhl. Er appelliert in seiner Predigt an die Besucher: „Lassen Sie jetzt hier los und halten Sie an einer anderen Stelle fest. Unser Glaube ist nicht an einen bestimmen Ort gebunden. In dieser Kapelle haben Sie Vertrautheit, Geborgenheit und Gemeinschaft gefunden. Jetzt geht es ums Loslassen. Ich bitte Sie alle, sich zukünftig auf den Weg zur Kirche in Eichede zu machen“. Dort wird auch Pastorin Schumacher in Zukunft amtieren.

Birschöfin Kirsten Fehrs

Dann folgt Bischöfin Kirsten Fehrs. Für sie ist es die zweite Entwidmung, die sie als Bischöfin begleitet. „Unser Glaube ist voll Dynamik und nicht statisch“ sagt sie, „die Zusage Gottes ist nicht an einen Ort gebunden. Mit diesem Abschied beginnt ein neuer Anfang“. Sie beginnt mit der Entwidmung. Zusammen mit Propst Buhl überreicht sie den Mitgliedern des Kirchengemeinderates die Insignien vom Altar, darunter das Abendmahl-Geschirr. Übrig bleiben nur noch die vier Altarkerzen. Nacheiander pusten beide die Flammen aus. Es wird dunkel in der kleinen Kapelle – und sehr still. Ein Abschied für immer.

 

Mit dem Gesang des Kirchenchors und dem letzten Läuten der drei Glocken verlassen die Bischöfin und der Propst gemeinsam mit Pastorin Schumacher und dem Kirchengemeinderat die Todendorfer Kapelle.

fotografiert von Robert Werner

Einige Dinge aus der Kapelle sollen verkauft werden, zum Beispiel die Orgel. Sie wurde 1967 aus Eichenholz gebaut, eine Spezialanfertigung. Sie kostete damals 21.000,- DM. Auch die Kirchenbänke sollen verkauft werden. Eine der drei Glocken soll umgerüstet werden und als „mobile Glocke“ zum Einsatz kommen auf Rundtouren in umliegende Gemeinden.

 

 

Morgen Abend läuten die Glocken zum letzten Mal zu einem Entwidmungsgottesdienst mit Bischöfin Fehrs. Das Gotteshaus wird abgerissen.

 

ein Bericht von Christina Schlie, Freie Redakteurin

 

Todendorf.  Die Tage des Todendorfer Gotteshauses sind gezählt. Am morgigen Donnerstag wird die Kapelle von Bischöfin Kirsten Fehrs in einem letzten Gottesdienst entwidmet. Er beginnt um 19 Uhr. In den darauffolgenden Tagen wird das Gebäude geräumt. Ein Abrisstermin steht noch nicht fest. Wie berichtet, will die Gemeinde auf dem Grundstück eine neue Feuerwehrwache errichten.

Es war ein langer Weg für die Gemeinde bis zu dem Entschluss, sich von dem Gotteshaus zu trennen. "Die wirtschaftliche Situation der Kirchengemeinde Eichede ist schlecht und macht den Verkauf der Kapelle notwendig." Das sagte Pastorin Susanne Schumacher schon vor zwei Jahren zu Beginn der Entscheidungsphase. Der Kirchenrat stimmte dem Verkauf letztlich zu. Der Antrag zur Entwidmung wurde beim Kirchenkreis Hamburg-Ost gestellt. "Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht", sagte Karin Kreuzfeldt, damals Vorsitzende des Kirchengemeinderats bei einer

Informationsveranstaltung im Oktober 2016. Der Versuch der Kommune und der Kirchengemeinde Eichede, den Erhalt der Kapelle durch eine alternative Nutzung zu sichern, war zuvor gescheitert.

 

Pastorin spricht von einem schmerzlichen Schritt

"Das ist ein schmerzlicher Schritt, viele persönliche Geschichten stehen in engem Zusammenhang

mit dem Gotteshaus", sagt Pastorin Schumacher. Eines der letzten großen Feste war die Silberne Hochzeit von Rainer und Sylvia Unger. Das Paar hatte sich nach 25 Jahren Ehe noch einmal das Ja-Wort gegeben. "Wir hatten damals nur standesamtlich geheiratet", erinnert Sylvia Unger. Im Mai 2016 holte das Paar die kirchliche Trauung nach. "Es gibt sicherlich schönere Kirchen, aber durch unsere Verbundenheit zum Dorf haben wir uns für das Todendorfer Gotteshaus entschieden", sagt Rainer Unger.

 

Auch der Abschiedsgottesdienst am 31. Dezember 2016 war von besonderen Momente geprägt. Einige Bürger erinnerten an Erlebnisse wie Konfirmationen und Kindergottesdienste. Dass das Gebäude nun abgerissen wird, lässt viele Todendorfer kalt. Doch die direkten Nachbarn Helga und Helmut Buck bedauern dies. "Jeden Morgen beim Frühstück schauen wir auf die Kirche", sagt der 82-Jährige. Das war schon so, als das Gotteshaus 1967 gebaut wurde. Buck erinnert sich daran, dass die Bauarbeiter Wasser aus seinem Brunnen zum Bau benutzt haben. "Die Kirche war ein sympathischer Nachbar", sagt Helga Buck. Pastorin Schumacher entgegnet: "Mit der neuen Feuerwehrwache an diesem zentralen Ort entsteht aber wieder etwas Positives für die Gemeinde."

 

Für die Bischöfin ist es der zweite Gottesdienst dieser Art

2013 war das Gotteshaus vom Kirchenkreis Hamburg-Ost als "nicht förderungsfähig" eingestuft worden. Damit bekam die Gemeinde keine finanzielle Unterstützung mehr für den Erhalt und die Sanierung des maroden Gebäudes. Jürgen Preine, Leiter der Abteilung für Finanzen und Liegenschaften im Kirchenkreis Hamburg-Ost, erläuterte die Finanzlage der Gemeinde Eichede. Danach wären allein für die Todendorfer Kapelle Sanierungskosten in Höhe von 134.000 Euro angefallen. So stützte auch Pastorin Susanne Schumacher den geplanten Verkauf. Dem Entwidmungsgottesdienst sieht sie trotzdem mit gemischten Gefühlen entgegen. "Das wird ein sehr emotionaler Moment. Einen solchen Gottesdienst habe ich selbst auch noch nie miterlebt."

 

Der Entwidmungsgottesdienst folgt einer besonderen Zeremonie. Nachdem sich die Gemeinde versammelt hat, ziehen Mitglieder des Kirchengemeinderats, die Pastorin und der Propst in die Kirche ein. Den Abschluss des Zuges bildet Bischöfin Kirsten Fehrs. Die Predigt hält Propst Hans-Jürgen Buhl. Zum Ende des einstündigen Gottesdienstes wird Bischöfin Fehrs die Kapelle entwidmen. Dabei übergibt sie die Insignien wie Taufschale und das Abendmahl-Geschirr an die Vertreter der Kirchengemeinde. Nach einem Segen wird sie die Kerzen auspusten.

 

Ursprünglich war die Kirche als Autobahnkapelle gedacht

 

Entwidmungsgottesdienste sind bisher selten. Für Bischöfin Kirsten Fehrs war die Entwidmung der Kapelle in Witzhave im Jahr 2013 der erste. Fehrs sagt auf Abendblatt-Anfrage: "Natürlich ist es immer schade, wenn eine Kirchengemeinde ein Gebäude aufgeben muss. Aber in diesem Falle hat die Gemeinde ja schon lange Abschied genommen." Am Donnerstag werde beim Gottesdienst "noch einmal an all das Schöne erinnert, was in diesem Raum stattgefunden hat". Der Blick richte sich aber auch nach vorn. Fehrs: "Die Kirche in Eichede, die immer Hauptstandort der Gemeinde war, wird gestärkt. Eine Sanierung wäre für die Gemeinde viel zu teuer geworden. Das Geld kann viel sinnvoller in kirchliche Arbeit fließen."

Das Todendorfer Gotteshaus war ursprünglich als Autobahnkapelle gebaut worden. Da sich auf dem Grundstück früher ein Teich befand, wurde die Kapelle auf 17 Pfeilern errichtet. Bereits kurz nach Fertigstellung 1967 waren erste Sanierungen notwendig. Über die Jahre wurde das Gebäude immer baufälliger. Und was geschieht mit der Ausstattung? "Die Orgel wird ausgebaut und verkauft", sagt Pastorin Schumacher. Das Kreuz kommt in die Kirche nach Eichede. Auch für die drei Glocken der Kapelle gibt es Pläne. Eine soll in Eichede gelagert werden und als mobile Glocke umgebaut werden. "Es wäre schön, wenn wir unsere Gottesdienste in den acht Kirchendörfern mit Glockengeläut einleiten könnten", so die Pastorin. Generell soll so viel wie möglich aus dem Gotteshaus erhalten bleiben und weiter genutzt werden.

Abgesehen von dem kirchlichen Gemeindezentrum in Hoisbüttel, wo der Entscheidungsprozess über die künftige Nutzung noch andauert, gibt es nach Angaben des Kirchenkreises Hamburg-Ost derzeit in Stormarn keine weiteren Kirchengebäude, die von einer Schließung bedroht sind.

 

 

Abschied von der Todendorfer Kirche

 

Als am 31.12.2017 der Abschiedsgottesdienst in Todendorf begann, waren alle verfügbaren Plätze besetzt. "Ein letztes Mal" war immer wieder zu hören. Karin Kreutzfeldt ließ in ihrer Begrüßung noch einmal den Weg bis zum Antrag auf Entwidmung einfließen - eine vernünftige Entscheidung, die dennoch die Trauer über den Verlust nicht aufhebt.

Im Fortlauf des Gottesdienstes erzählten sechs Personen von ihren Erlebnissen in dieser Kapelle:

Für Renate Dwenger war sie ein Ort des Hoffens, Staunens und der Familie.

Pastor Jan Roßmanek sprach für das Kollegenteam, das in Todendorf regelmäßg Gottesdienste feierte. Für ihn sind Kirchen Fingerspuren Gottes. Durch die großen Fenster der Todendorfer Kapelle hatte er den Blick auf die Jahreszeiten genossen.

Dr. Ogilvie erinnerte an die Montagsandachten, in deren Verschiedenheit das breite Spektrum christlicher Spiritualität gelebt werden konnte.

Ute Junginger nahm die Gottesdienstbesucher gedanklich in die Phase lebendiger Kindergottesdienstarbeit mit.

Margitta Stapelfeldt erinnerte an die neuen Erfahrungen der Kita-Kinder im Kirchraum zum jährlichen St. Martinsfest.

Nick Hünecke hatte im Frühjahr 2016 in dieser Kirche seine Konfirmation und Rainer und Sylvia Unger gaben sich im Mai 2016 nach 25 Ehejahren hier noch einmal sehr feierlich das JA-Wort mit Gottes Segen.

In Pastorin Schumachers Predigt drehte sich alles um Resonanz, um Widerhall und Nachhall in menschlichen Beziehungen, auf Du und Du mit Gott und im Kirchenraum. Diesen Sakralraum hatte Beate Appel als Küsterin seit 01.01.2013 gepflegt und zu vielen Anlässen geschmückt. Ihr Arbeitsverhältnis endet mit Schließung der Kirche.

Bei einem Becher Punsch standen die Gottesdienstbesucher noch einen Moment zusammen.

Dann fiel die Tür ins Schloss.

 

 

geschrieben von Karin Kreutzfeldt

Geschichte

 

Nach über 70 Jahren kirchlicher Abhängigkeit von Eichede und 21 Jahren Gottesdient in der Todendorfer Schule erhielt Todendorf 1967 seine eigene Kirche.

 

Bereits 1961 begannen die Planungen im Kirchenvorstand – ursprünglich für eine Autobahnkapelle am (bis heute nur geplanten) Autobahnkreuz Bargteheide. Als klar wurde, dass es noch lange kein Autobahnkreuz geben werde und die Chistuskirche in Rethwisch als Autobahnkirche ausgewiesen wurde, bot die Gemeinde Todendorf der Kirchengemeinde ein Grundstück in zentraler Lage zum Bau einer Kirche mit – geplant – Gemeindeschwesternstation, Kindergarten und, falls nötig, Pastorat an.

 

Einen Kirchenbau auf diesem Grundstück auszuführen erwies sich allerdings als extrem schwierig, denn früher hatte sich an dieser Stelle ein Teich befunden. Der tiefe Grund, auf dem hier gebaut werden sollte, erforderte eine Art modernen „Pfahlbau“. Die Kirche wurde auf 17 Pfeiler aus Beton gestellt, die über acht Meter tief in der Erde gegründet sind.

 

Von 1946 bis zur Einweihung waren Gottesdienste, Bibelstunden und Konfirmandenunterricht in der Todendorfer Schule durchgeführt worden. Deshalb nahm man zu Beginn der Kirchweihe-Handlungen am Pfingstmontag 1967 zunächst Abschied von der Schule. Vor der Kirche nahm dann der Musikzug Todendorf den Zug der Gäste, angeführt von Bischof Dr. Hübner und Pastor Spohnholz, mit dem Choral „Lobe den Herrn“ in Empfang. An diesem Tag regnete es in Strömen.

 

Nachdem sich Oetjendorf bei den Gemeindezusammenlegungen der 70er Jahre kirchlich und kommunal nach Hoisdorf/Siek orientiert hatte, wurde ein eigener Pfarrbezirk Todendorf allerdings nie gebraucht und die ursprünglich geplanten Gebäude neben der Kirche wird die Kirchengemeinde wohl nie mehr bauen. Misslich war außerdem, dass es Ende der 60er Jahre noch wenig Erfahrung bei der neuartigen Bauweise mit Stahlbeton gab. Daher sprengte der korrodierende Stahl den Beton und die Kirche musste schon in den 80er Jahren aufwändig saniert werden. Und kaum hatte die Kirchengemeinde die Darlehen für die Sanierung zurückgezahlt, führten die notwendigen Sparmaßnahmen innerhalb der Nordelbischen Kirche zu ernsthaften Überlegungen innerhalb der Kirchengemeinde, die Kirche zu verkaufen. Zum Glück ist das bis heute nicht geschehen!

 

Der 40. Geburtstag unserer Todendorfer Kirche ging 2007 neben dem 250. der Kirche zu Eichede zwar ein wenig unter, aber vielleicht schafft sie ja mit Hilfe der Todendorfer Bevölkerung noch den 50sten. Die sonntags 14-täglich im Wechsel mit Eichede in Todendorf angebotenen „Feiern unter dem Kreuz“ werden begleitet von der klangvollen kleinen Becker-Orgel von 1968 und erfreut sich besonders beim Krippenspiel an Heiligabend, bei den Konfirmationen und am Erntedanktag großer Beliebtheit.

 

 

Geschrieben von Pastor Jörg S. Denecke

zur 750-Jahrfeier von Todendorf im Jahr 2009